Leben und Werk von Nikolaus Reinartz,
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Der Römerkanal und Römervilla zu Kreuz-Weingarten
Neuer Fundbericht

In dem neu erschienenen Heft 143/144 der Bonner Jahrbücher wird Seite 407 ein Fundbericht aus Kreuz-Weingarten gebracht. Derselbe lautet: „Im Pfarrhausgarten, etwa 50 Meter nordnordöstlich der Kirche, wurde beim Pflanzen von Obstbäumen an zwei Stellen ein römischer Abwässerkanal angeschnitten, der in Richtung Nordnordost-Südsüdwest verlief und wahrscheinlich seinen Abfluß im Mersbach hat. Die Kanalrinne besteht aus zwei 14–16 cm starken und 14 cm hohen Gußmörtelverkleidungen, deren Außenseiten mit Grauwackebruchsteinen verblendet sind. Den Boden bilden 25 x 36 cm große Ziegelplatten. Die Kanalrinne war 20 cm breit, sie war abgedeckt im Schnitt I mit Grauwackebruchsteinen und an der Kalksinterplatte im Schnitt II ausschließlich mit Ziegelplatten. Der Kanal lag 0,8 Meter unter der heutigen, 0,44 Meter unter der römischen Oberfläche.“

Die folgenden Ausführungen sollen erweisen daß dieser allzu knappe Bericht auf einer irrigen Annahme fußt und der Bedeutung dieses Kanals nicht gerecht wird.

Es fehlt zunächst jede Bezugnahme auf die kaum 300 Meter von der Fundstelle 1839, also gerade vor hundert Jahren, bei dem Bau der Provinzialstraße Köln-Trier entdeckte, von Prof. Overbeck-Winckelmanns Programm, Bonn 1851 erstmalig beschriebene, dann von Prof. aus'm Werth 1874 und 1881 weiter erforschte römische Villa von Weingarten, aus der bekanntlich ein prächtiger Mosaikboden ins Landesmuseum gelangte und dort unter den Schaustücken im Atrium Aufstellung gefunden hat. Auf diese ausgedehnte und luxuriös ausgestattete Wohnanlage weist nicht nur die direkt zum Villengelände hinziehende Richtung der neu gefundenen Wasserleitung als deren Fortsetzung, die bei den früheren Ausgrabungen in unmittelbarer Nähe der Villa aufgedeckten Kanäle erscheinen, sondern auch die sorgfältige Arbeit, vor allem aber die übereinstimmende Deckung mit Platten von Kalksinter, wie dies nach Overbeck a. a. O. Seite 13, auch Prof. aus'm Werth in seinem Bericht in den Kunstdenkmälern des Kreises Euskirchen, Seite 190, bezeugt: „Verdacht sind die Kanäle mit Ziegelplatten und solchen von Bruchstein- und von Kalksinter des Römerkanals“.

Erscheint also der Zusammenhang unseres Kanals mit der römischen Villa hinlänglich gesichert, so erhebt sich die weitere Frage ob derselbe wirklich ist ein Abwässerkanal, der seinen Abfluß wahrscheinlich im Mersbach – ein Bächlein, das aus dem Kalkarer Broich herabkommend, längs des Berghangs unterhalb des Römerkanals durch den Pfarrgarten fließt und bald in die Erft einmündet – hat, wie der Fundbericht behauptet, oder aber, wie ich annehme, eine Zuleitung zur Villa, die von dem köstlichen Wasser des großen Eifelkanals schöpfte. Gegen die These eines Abwässerkanals spricht einmal der höchst saubere Befund der Kanalrinne ohne irgend welchen Ansatz von Schlamm und Unrat. Sodann beträgt aber auch die Entfernung des Villengeländes vom Mersbache wohl das Sechsfache derjenigen von dem an der anderen Seite vorbeifließenden Mühlengraben, einer Ableitung aus der Erft oberhalb der Villa, die in ihrer merkwürdigen Ausbuchtung um das Villengelände, wohl auch als eine römische Anlage zur Entsumpfung des Tales oder Abgrenzung angesprochen werden darf. Aber auch wenn dem nicht so wäre, beträgt die Entfernung der Villa von der Erft selber nur etwa die Hälfte derjenigen vom Mersbach, so daß wirklich nicht abzusehen, weshalb die Abwässer in dies kleine Bächlein, das im Sommer fast austrocknet, geführt worden seien. Dazu kommt, daß sich tatsächlich in dem Ausgrabungsplan vom Jahre 1881 in den Kunstdenkmälern bereits zwei Abzugskanäle in Richtung Mühlengraben-Erft finden.





Grundriß der römischen Villa
(nach Clemen)

Nahe dem bei Kreuz-Weingarten auf dem erhöhten Talrande der Erft in der Flur Pfaffenhardt durchlaufenden Römerkanal stieß man bei einer Anlage der Straße 1839 – also genau vor 100 Jahren – auf die Ueberreste einer größeren römischen Villa. Im Jahre 1851 wurde dieselbe unter Prof. Overbeck ausgegraben. Einer weiteren Ausgrabung im Jahre 1874 im Auftrag der Königlichen Regierung verdanken wir den links, Mitte, aufgezeichneten Grundriß. Bei dieser Ausgrabung zeigt sich, daß in spätrömischer Zeit ein zweites Gebäude in das ältere erweiternd und verändernd hineingebaut und dadurch der erste, ältere Teil leider beschädigt worden war.

Das Gebäude des ersten, älteren Baues enthielt einen Mittelbau mit vorliegendem gepflasterten Hof, einen durch zwei mächtige vorspringende Pfeiler flankierten Haupteingang und in symmetrischer Gleichheit zwei 3 m vorspringende Flügel. In dem Bau befanden sich im südlichen und westlichen Teil die Wohnräume und die für Bäder bestimmten Gemächer. Der im Jahre 1851 ausgegrabene Mosaikboden befand sich in dem großen Ecksaal (12, Mitte links). Das Mosaik stellt ein Fragment des sog. Gladiatorenmotivs dar und hat im Provinzialmuseum in Bonn Aufstellung gefunden. Dieser Raum beschränkte sich in seiner dekorativen Ausführung nicht nur auf den Mosaikboden, sondern zahlreiche regelmäßig geschnittene kleine Platten von buntem Marmor, Syenit und Porphyr bekunden eine kostbare Wandbekleidung.

Der im Bilde festgestellte Mosaikboden (oben rechts) wurde im Spätherbst 1881 aufgefunden. Er führt das wiederkehrende Motiv des Amazonenschildes und die in allen Feldern wiederkehrenden Kreuze erinnern an byzantinische Vorbilder. Nach dem Stil und der spärlichen Skala gehört dieses Stück einer späteren Zeit als das Gladiatorenmosaik an. Im Grundriß-Plan (Mitte links) ist dieses Mosaik in Raum 6 vorzufinden, neben dem Raum, in dem das reizende Fontänenbassin mit einem aus einer Rohrleitung emporsteigenden Wasserstrahl untergebracht war.

Grundriß (Mitte links) und Amazonenmosaik (rechts oben) aus „Clemen, Kunstdenkmäler, IV. Bd“. Grundriß (unten rechts) nach Oberbeck mit den Einzeichnungen der neuaufgefundenen Kanäle durch den Verfasser.

Beschreibung Abb. links:

1. u. 2. Römervilla nach den Ausgrabungen von 1851. Bei den Ausgrabungen 1874 und 1881 wurden weitere Fundamente östlich bis zum Mühlenbach – 2 –, hier auch die beiden im Text erwähnten Abzugskanäle – und südlich gefunden. An der Südseite auch das Mosaik und der Springbrunnen. 3. Neu aufgefundener Kanal. 4. Wasserkanal unter dem nördlichen Haupteingang. 5. u. 6. Früher aufgefundene Kanäle.





So bleibt denn nur die eine und zwar große Wahrscheinlichkeit, daß der neu entdeckte Kanal eine Ableitung vom Römerkanal zur Wasserversorgung der Villa darstellt. Es ist der von Ernst aus'm Werth in seinem Ausgrabungsbericht erwähnte „nordwestlich jenseits der Provinzialstraße vom Abhang herabgeleitete Wasserkanal, der einen an der Südseite der Villa vorbei laufenden Arm abgibt und in den nördlichen Haupteingang einlaufend, das Gebäude durchquert“. Die unbestimmte Bezeichnung des „nordwestlich vom Abhang herabgeleiteten Wasserkanals“ hat jetzt eine höchst interessante Aufhellung erfahren, welche durch genaue Vermessung und einige Suchschnitte einwandfrei bestätigt werden könnte. Die Ablaßstelle am Römerkanal unweit des von mir gefundenen Drei Konchen-Tempelchen ist leider nicht mehr festzustellen, da der Kanal dort in weiter Strecke ausgebrochen ist. Auch dürften von der Leitung den Berghang hinab und von der Ueberleitung über den Mersbach kaum mehr Spuren vorhanden sein, wohl aber erklärt sich die starke Ueberdachung der Kanalrinne mit Sinterplatten bis zu 8 cm Dicke unter einer Erdschicht von einem halben Meter aus dem Druck des von einer Höhe von 40 Meter herabschießenden Wasserstromes, der dann auch Wasserkünsten gedient hat, wie ja in der Beschreibung der Villa von Prof. aus'm Werth ein reizender Fontainebassin hervorgehoben wird. – Ueber die Parallelkanäle in unmittelbarer Nähe, welche den verschiedenen Bauperioden, der wahrscheinlich gleich dem Römerkanal aus der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. stammenden, dann in spätrömischer Zeit umgebauten Villa wohl entsprechen, die von der Beschreibung in den Kunstdenkmälern nicht weiter beachtet werden, finden sich bei Overbeck, Seite 12 ff, wertvolle Details. Wenn er von diesen berichtet, daß sie sämtlich Fall nach Norden hätten, so löst sich der scheinbare Widerspruch mit der obigen Angabe von Ernst aus'm Werth, daß die Wasserleitung in den nördlichen Haupteingang eingetreten sei, bestens durch die Annahme einer den Druck aus der Höhe ausgleichenden aufsteigenden Leitung im Tale. So gesehen stellt die Wasserleitung zur Römervilla eine technische Leistung im kleinen dar, die der Erbauer des Römerkanals würdig wäre.

Auch für den Eifelkanal selber ergeben sich ein paar belangvolle Aufschlüsse. Zunächst erscheint die viel erörterte Frage, ob die großartige, für die Colonia Agrippina angelegte Wasserleitung auch auf ihrem Verlaufe für andere römische Anlagen und Siedlungen Wasser abgegeben habe, wenigstens für diesen Fall bejahend gelöst. Sodann läßt sich aus dem neuen Funde von Kalksinterplatten in einer Dicke von 8 cm an einem römischen Bauwerk in Verbindung mit den beiden früheren Ausgrabungen an anderer Stelle gefundenen der Schluß ziehen, daß der Kanal in römischer Zeit eine gründliche Reinigung von dem sich ansetzenden Kalkstein erfahren hat.

Kreuz-Weingarten.

Pfarrer Reinartz.





Euskirchener Volksblatt, Nr. 264, 10.11.1939.





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