Leben und Werk von Nikolaus Reinartz,
Pfarrer und Heimatforscher - Ein Projekt von Nikola-reinartz.de und Nikolaus-reinartz.de





Lückerath, der Orts- und Familienname.





In seiner verdienstvollen Arbeit über die Ortsnamen des Kreises Schleiden kommt Prof. Dr. Mürkens in Nr. 281 auch auf den Namen Lückerath bei Mechernich zu sprechen. Er leitet den Namen ab von Lütke oder Lücke und erklärt ihn als Rodung eines sogenannten Mannes. Meine in den Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein Heft 129, S. 60 gegebene Ableitung von Lüttich, flämisch Luik = Rodung der Leute von Lüttich oder Luik scheint ihm wenig wahrscheinlich. Die etwas dürftige Wiedergabe der Begründung meiner Annahme am angegebenen Orte läßt allerdings den Leser nicht leicht ein selbständiges Urteil sich bilden.

Bei meiner Untersuchung in den Annalen war ich von den am Bleiberge in auffallender Weise sich häufenden Flurbezeichnungen wie Welschendell, Welschbach, Welschfahrt, Wahlenpütz, Wahlenschleid ausgegangen, welche ohne jeden Zweifel auf die Tätigkeit eingewanderter Wallonen, deren Ruf als Bergleute ja bekannt ist, hinweisen, Besonders waren vier unmittelbar beeinander liegende Ortschaften als wallonische Siedelungen nachzuweisen: Wallenthal, Wielspütz, Vossel und unser Lückerath. Zurückgehend auf die ältesten Bezeichnungen hatte ich als solche festgestellt Lutgenrode (1187), Luttingenrode (1251), Luykenrode (1503). Dazu vergleiche man die ältesten Namen von Lüttich, der Hauptstadt der Wallonie, Luticha, später Lutge, und die flämisch-deutsch Bezeichnung Luik und man wird die auffallende Übereinstimmung nicht verkennen können. Zumal in dem sonst nicht leicht zu erklärenden Wechsel von Luttingenrode und dem spätern Luykenrode. Als Gegenbeweis führt Prof. Mürkens nur an, daß eine Rodung nach einer Stadt benannt werde, sei außergewöhnlich. Aber abgesehen davon, daß nicht die Stadt, sondern wohl die Leute genannt sind, kommt jenes auch vor, zum Beispiel in Kerlingerod bei Förstemann, Altdeutsches Namensbuch II, 620 und 1555, von Kerlingen Kreis Diedenhofen.

Immerhin hat mich das Bedenken meines gelehrten Herrn Opponenten zu einer Überprüfung der Frage veranlaßt, und bin ich ihm aufrichtig dankbar dafür. Diese Nachprüfung hat nämlich zu einer ganz überraschenden Bestätigung meiner Annahme geführt. Außer dem genannten Lückerath am Bleiberg gibt es im deutschen Sprachgebiete noch zwei Orte gleichen Namens. Beide liegen auf der rechten Rheinseite, auch nicht allzuweit von der deutschen Westgrenze, nämlich Lückerath bei Bensberg und Lückerath – 1481 ebenfalls Luckenroyde genannt, siehe unten – bei Ruppichteroth. Beide Orte liegen aber – und das ist die erste Feststellung, die sich mir auf meine Erkundigung an Ort und Stelle ergab – im bergbaulichen Gebiet, ebenso wie Lückerath am Bleiberg. Und die zweite, noch interessantere Feststellung war die, daß dieselben Lückerath wiederum ganz in der Nähe von unzweifelhaft wallonischen Siedelungen liegen. So bei Bensberg die Welschenheide. Weiterhin zur Sieg auf Lückerath bei Rupperichteroth zu die ganz an den Bleiberg erinnernden Orte Wahlscheid – 1166 Walescheith bei Lakomblet Urkundenbuch I, Nr. 414 –, Wielpütz und Wahlen und endlich bei Ruppichteroth selber die merkwürdige Ortschaft Kammerich – 1481 Kammerbricht bei Tille-Krudewig, Archivübersicht I, 326.

Wenn wir uns nicht an die welschen Ortsnamen so gewöhnt hätten, anstatt die guten alten deutschen Namen des Mittelalters beizubehalten, würden wir längst in diesem Kammerich das alte Cambrai in der französischen Wallonie wieder erkannt haben. Es steht außer Zweifel, daß ein eingehenderes Studium der Flur- und Ortsnamen der dortigen Gegend noch weitere Belege dafür bringen würde, daß auch diese Lückerath nichts anderes sind als Rodungen Lütticher Bergleute. Es läßt sich wirklich kein Grund absehen, warum die angeblichen Lütke oder Lücke immer nur zwischen Wallonen im Bergbaubetrieb gerodet hätten, während auch heute noch dieses betriebsame Völkchen in den industriereichsten Gegenden Belgiens und Frankreich wohnt. Somit hat unsere Untersuchung über die aufschlußreiche Erklärung eines Ortsnamens hinaus das bevölkerungsgeschichtlich wichtige Ergebnis gehabt, aufzuzeigen, wie stark und weitverzweigt wallonische Einflüsse im rheinischen Bergbau des 12. Jahrhunderts gewesen sind.

Von ganz besonderem Interesse dürften unsere Feststellungen noch für die zahlreichen in Euskirchen und Umgegend wohnenden Familien Lückerath sein. Daß ihr Urahn aus einem der Lückerath, und soweit sie hierorts bodenständig sind, aus Lückerath am Bleiberg stammen, ist klar. Für die Euskirchener Lückerath läßt sich das noch nachweisen. Im Erbschatzbuch – Grundsteuerliste – der Dreiborner Herrschaft Heistert vom Jahre 1605 werden des „alden Johan von Luckenroidt Kinder“ als Grundbesitzer in genanntem Heistert bei Kall angeführt. Der Schreiber des Erbschatzbuches selber war der dortige Schultheiß und Berggeschworene Jakob Luckenroidt, geboren 1559. Derselbe war der Großvater des ausgezeichneten Abtes von Steinfeld Johann VII. und des Dreiborner Halfen und Schultheißen Ludwig Lückerath in Rißdorf bei Satzvey. Des letztern Sohn Jakob Lückerath aus Rißdorf kam nach Euskirchen als Pächter des der Abtei Steinfeld gehörenden Roitzheimer Hofes daselbst. Er lebte noch 1678 und ist der Stammvater der Euskirchener Lückerath geworden.

N. Reinartz, Pfarrer





Euskirchener Volksblatt, Nr. 293, 18.12.1937.


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