Leben und Werk von Nikolaus Reinartz, Pfarrer und Heimatforscher - Ein Projekt von nikola-reinartz.de und nikolaus-reinartz.de - eMail: hkbergheim@gmx.de





Zeitgeschichtliche Aufzeichnungen des Pfarrers N. Reinartz, Kreuzweingarten 1933 ff.:
„Mein Kampf“
Von Nikola Reinartz, Pfarrer

Teil 2


Zu Kriegsbeginn, September 1939

Heute ist es mir klarer geworden, warum mir die Anklage am Feste Kreuz-Auffindung zugegangen war. Bald nach meiner Vernehmung blieb die Staatliche Gehaltszulage aus. Auf Anfrage bei der Erzb. Behörde erfuhr ich, daß dieselbe durch Anordnung des Regierungspräsidenten gemäß dem Kerlschen Brodkorbgesetz für mich gesperrt sei. Die Dekanatszulage seitens der Erzdiözese bleibe weiterhin, und die Zulage für den Personalkaplan seitens derselben werde von 75 M auf 100 M erhöht. Schon vorher war mir aber bekannt geworden, daß infolge der außerordentlichen Steigerung der Kirchensteuer um 220 % in diesem Jahre der Gehaltszuschuß der Kirchenkasse in diesem Jahre von etwa 700 auf 2500 M gestiegen sei, also der Wegfall des Staatszuschusses keine erhebliche Bedeutung hatte. Dazu kam auch eine ungewöhnlich reiche Obsternte, in der ich wiederum die liebende Sorge der göttlichen Vorsehung erkannte, der auch die „Sperrlinge“ ernährt. Inzwischen mochte aber auch der Staat erkannt haben, daß seine Verordnung ein Schlag ins Wasser gewesen sei, und so sperrte er auch das alte auf gesetzlicher Verpflichtung beruhende Staatsgehalt in Höhe von 380 M. Aus einer Rücksprache am Generalvikariat wurde mir mitgeteilt, daß die Regierung diese Maßnahme angekündigt habe, so lange ich hierselbst bleibe, die Erzbischöfl. Behörde aber gegen dieselbe als ungesetzlich Einspruch erhebe. So habe ich einstweilen nur das befreiende und erhebende Gefühl, nicht von der Gnade der antichristlichen Gesellschaft zu leben.

Die Gestapo schenkt mir nach wie vor mehr Aufmerksamkeit, wie ich eigentlich verdiene. In Zusammenhang mit den geschilderten Ereignissen stand ein Besuch, der mir vor Fronleichnam zugedacht wurde. Bei dieser Gelegenheit wurde mir angekündigt, daß ich bei der nächsten Klage Rede- und Aufenthaltsverbot erfahren würde. Interessant wurde es, als der Beamte sich zu der Behauptung verstieg, die Pastöre lögen alle. Dabei hatte er selber sich auf Befragen als Schmitz aus Euskirchen bei Frl. Schlemmer eingeführt. In Wirklichkeit war sein Name Settler (ehemaliger Steyler Missionsschüler!) Er hatte dann die Dreistigkeit, zu sagen: „Sie erzählen ja all die Märchen dem Volke auf der Kanzel“, worauf ich ihm die Antwort nicht schuldig blieb, so daß er am Schlusse ganz manierlich war in auffallendem Gegensatz zu der anfänglichen ruppigen Art.

Sogar am Tage meines 40jährigen Priesterjubiläums hatte ich die Ehre eines Besuches von der Gestapo. Diesmal wollten Sie den Film vom Eucharistischen Weltkongress in Ungarn haben, der anfangs, als wir ihn allerdings schon wiederholt aufgeführt hatten verboten worden war und auch beschlagnahmt werden sollte. Nicht weniger als 5 mal wurden Gestapo und Polizei dieserhalb vorstellig, sogar nach Kriegsbeginn. „Das geht weiter“ - nämlich der Religionskampf, sagte Lorre, als wir denn um Ruhe zu haben und Schlimmerem auszuweichen endlich den praktisch wertlos gewordenen Film aushändigten.


Juni 1940

März 1940 erhielt ich von der Erzb. Behörde ein Schreiben, sie wolle versuchen die Gehaltssperre rückgängig zu machen, und solle ich zu dem Ende des Herrn Regierungspräsidenten die schriftliche Erklärung abgeben, daß ich in Zukunft alle staatlichen Gesetze, Anordnungen und Verordnungen anerkennen und befolgen werde. Um Klarheit zu gewinnen, fuhr ich persönlich zum Generalvikar. Dieser sagte mir dann daß das Schreiben von der Regierung selber veranlaßt worden sei, er auch Bedenken gehabt hätte, diese Aufforderungen herauszugeben, ich dieselbe auch unbeantwortet lassen könne. Letzteres schien mir nun weder männlich noch christlich. So erwiderte ich dann: Ich verspreche dem Herrn Regierungspräsidenten, daß ich meine staatlichen Pflichten nach bestem Wissen und Gewissen erfüllen will, wie es einem katholischen Priester geziemt gemäß dem unabdingbaren Gebote unseres Herrn und Heilandes: „Gebet dem Kaiser, was des Kaisers und Gott was Gottes ist“. Daraufhin erhielt ich durch die Erzbischöfl. Behörde den Bescheid, daß eine Aufhebung der Gehaltssperre z.Zt. für mich nicht in Frage komme. Wohl erhielt ich vom 1. April an wieder das Napoleonische Staatsgehalt, dessen Zurückhaltung überhaupt rechtlich sehr anfechtbar gewesen war, und zwar direkt von der Regierungskasse.

Dies geschah jedoch versehentlich durch den Irrtum eines Beamten. Zu Ende des Rechnungsjahres wurde der Betrag zurückgefordert. Darauf wurde der Betrag von der Bistumskasse gedeckt um den betreffenden Beamten nicht regreßpflichtig zu machen. Die weiteren Zahlungen sind bis Kriegsende ausgeblieben.

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Ein gutes Mittel, Kinder dem praktischen Christentum zu entfremden, findet man in der Kinderlandverschickung. Wir mußten es erleben, daß Kinder die ganze Zeit, monatelang nicht in eine katholische Kirche kamen nicht einmal ihr Ostern hielten. Darum ließ ich den Eltern folgende drei Gewissensfragen von der Kanzel aus vorlegen. 1) Habt ihr eine Garantie, daß Eure Kinder nicht in eine heidnische Umgebung oder in eine christentumsfeindliche Familie kommt? 2) Würdet ihr ein Kleinod, ein teures Andenken, einen Wertgegenstand, einem fremden unbekannten Menschen der weitab wohnt in die Hände geben? 3) Was ist Euch denn mehr wert, irgend ein materielles Gut oder die unsterbliche Seele Eurer Kinder? Wieder erfolgte Anzeige und der Gendarm Z. nahm H. Vikar ins Verhör. Dieser entgegnete: Wir sagen auf der Kanzel nichts Schlimmes; Haben Sie denn etwas gehört? „Nein“. (Z. geht nämlich nicht in die Kirche). „Dann brauchen Sie auch nichts zu sagen“. Dabei blieb es denn auch. Das Schönste aber war, daß Z. dann die eigene Tochter, die er auch hatte mitgehen lassen, selber zurückholte, da sie es sehr übel angetroffen hatte.

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Wieder erfolgte eine Anzeige, als wir die auf Grund eines Dekanatsbeschlusses gefertigten Ausweiszettel behufs geistlicher Betreuung der in städtische Krankenhäuser eingelieferten Katholiken erteilt hatten, und zwar an alle Pfarrgenossen, soweit sie nicht ihren Austritt aus der Kirche erklärt hatten. Diesmal erschien sofort die Gestapo, um dem von uns ausgeübten Gewissenszwang zu begegnen. Ich erklärte den Herren aber gleich, daß sie sich auf dem Holzweg befänden und frug ob sie denn jetzt im Kriege nichts besseres zu tun wüßten. Von Gewissenszwang könne doch gar keine Rede sein, da es heutzutage doch nicht schwer sei, wenn es einem nicht mehr passe, aus der Kirche auszutreten, solange aber jemand einer Gemeinschaft aus freien Stücken angehöre, müsse er sich wohl auch an die Vorschriften dieser halten. Dann redete ich Freund Sädteler an: Sie sind doch Katholik, Sie wissen, was das Sakrament der Hl. Ölung bedeutet; gesetzt den Fall, es wird jemand bewußtlos in eine städtische Anstalt eingeliefert, und hat diesen Ausweis nicht bei sich, kann nach den neuen Bestimmungen ein Geistlicher nicht zu demselben gelassen werden. Ich diktierte dann ins Protokoll, der Zweck dieser Handzettel sei die Durchführung der staatlichen Bestimmung zu erleichtern! Um sich aber den Anschein zu geben, doch etwas getan zu haben, verlangten sie Herausgabe der übrigen Zettel, wollten sogar wieder einmal eine Haussuchung veranstalten. Als der H. Vikar sie dann aushändigte, kam es doch noch zu einem Zwischenfall. Ich betonte, falls sich wie ich bestimmt erwarte, die Gesetzmäßigkeit bestätigen würde, verlangte ich die Zettel zurück, die einem religiösen Zwecke dienten. Darauf erwiderte der jüngere der beiden spöttisch: oder werden eingestampft, dann dienen sie ja auch einem guten Zweck. Das verbat ich mir und sagte: „Sie wollen doch nicht die Religion vernichten“. „Meinen sie das denn?“ „Darauf möchte ich keine Antwort geben; was würden Sie denn tun, wenn ich sagte, ja?“.

Darauf wollen wir Ihnen auch keine Antwort geben. Damit zogen sie ab, ohne sich weiter noch um das Dekanat zu kümmern - allerdings unter Mitnahme eines auf dem Tisch liegenden Schriftchens über unsere Pfarrkirche, in welchem Sädteler vorher geblättert hatte. Eine halbe Stunde später stellte ich fest, daß es verschwunden war.

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Zu welchen nichtsnutzigen Streichen sich manche herbeiließen um einem Geistlichen etwas anzuhaben, zeigt folgender Vorfall. Ein SS Man aus Kirspenich hatte sich schon in meiner Krankheit spät abends einmal im Pfarrhaus eingedrängt, so daß ich ihm wegen Belästigung dasselbe verboten hatte. Nach längerer Zeit schlich sich dieser Nolte wieder, als es bereits dunkel wurde, unter Angabe eines falschen Namens und der Maskerade eines verbundenen Armes wieder bei mir ein. Diesmal gab er an, er komme im Auftrag seines Vaters aus Weilerswist, um sich zu erkundigen ob es richtig sei, daß der Robbel aus Rheder aus der Kirche ausgetreten sei. Sein Vater wolle nämlich mit diesem im geschäftliche Verbindung treten, was er aber in diesem Falle unterlassen werde. Da ich jedoch dem Kerl von vornherein nicht traute, gab ich ihm zu Antwort: Wer Robbel sei könne ihm jeder in Weingarten sagen auch in dem Falle, daß jemand aus der Kirche austräte, bliebe er noch immer mein Pfarrkind, über das sich nichts aussagen würde. Da er weiteres nicht von mir erfahren konnte, empfahl er sich mit den Worten: Sie haben sich gut aus der Falle herausgezogen. Wahrscheinlich hatte aber Robbel direkt nichts mit der Sache zu tun. Veranlassung war wohl eher der Kirchenabfalle bei Malinka, wo Nolte verkehrte.


November 1941

Endlich wurde auch der Hauptränkeschmied gegen Kirche und Geistlichkeit, der auch nach dem Zeugnis der eigenen Angehörigen den Abfall von Robbel und Hamacher verschuldet hat, der Ortsgruppenführer Gerhartz von Satzvey entlarvt. Beim Weggang aus der Villa Becker ließ er ein Außenthermometer mitgehen, indem er es vorsichtig um sich blickend in die Tasche steckte. Er war jedoch von der Garage aus beobachtet worden und es erfolgte Meldung beim Zachaeus. Infolgedessen hielt es Gerhartz für das Klügste, den Thermometer wieder zurückzubringen. Seitdem heißt er allgemein „der Thermometer!“

© Sammlung Hans Regh





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