Leben und Werk von Nikolaus Reinartz, Pfarrer und Heimatforscher - Ein Projekt von nikola-reinartz.de und nikolaus-reinartz.de - eMail: hkbergheim@gmx.de |
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Zeitgeschichtliche
Aufzeichungen des Pfarrers N. Reinartz, Kreuzweingarten 1933 ff.:
Wir leben in einer Zeit des Kampfes gegen Christentum und Kirche, wie ihn unsere Väter noch nicht erlebt haben. Es handelt sich um die Vernichtung der Kirche und die Ausrottung des Christentums in deutschen rheinischen Landen. Dieser Kampf ist umso gefährlicher als er mit List und Lüge, mit Drohungen, Rechtslosigkeit und offener Gewalt geführt wird und die Kirche in der Öffentlichkeit völlig wehrlos ist. Ihre einzige Hilfe ist Jesus Christus, der Gekreuzigte und Auferstandene. Da gewinnt die Lehre vom Kreuze ihre ganze verpflichtende aber auch herrliche Bedeutung; da wird jeder Priester, der mutig Zeugnis ablegt für die Wahrheit, der bereit ist, sein Leben für die Seinen hinzugeben, erfahren, daß er für eine göttliche Sache steht, und die Pforten der Hölle niemals obsiegen werden. Um der Verantwortung vor Gott und der Geschichte willen seien denn folgende Erlebnisse aus den Kampfjahren bezeugt.
Der Kampf galt und gilt vor allem den Katholischen Jugendverbänden. Stets hat die Jugend Kreuz-Weingartens zum katholischen Gemeinschaftsleben gestanden und das Pfarrjugendheim hat manche erhebende Jugendveranstaltung gesehen. So war denn auch für den 8. Oktober 1933 das Bezirkstreffen der katholischen Sturm- und Jungscharen in Kreuz-Weingarten ausgeschrieben. Polizeilich genehmigt, wurde in letzter Stunde jede öffentliche Betätigung im Interesse von Ruhe und Ordnung verboten. Die ganze HJ und SA des Kreises war nämlich aufgeboten worden, um die Veranstaltung zu stören. So mußten denn unsere Jungens anstatt das geplante Zeltlager auf dem von der Deutschen Jugendkraft zum großen Teil geschaffenen und hergerichteten Sportplatz zu beziehen, notdürftig in Scheunen etc. nächtigen. Aber auch die infolge des nachträglichen Verbotes in das Jugendheim verlegte Versammlung wurde in der wüstesten Weise von der HJ gestört. Vergleiche die Beschwerde an die Behörden im Archiv. Es war die letzte öffentliche Katholische Jugendkundgebung im Kreise Euskirchen, in deren Dienst sie stand, eine moralische Niederlage erlitten, die noch lange in der Erinnerung nachgewirkt hat. Ich hatte aber einen durchschlagenden Grund, das Pfarrjugendheim allen Bewerbungen gegenüber für politische Zwecke solange zu verweigern bis meine Beschwerde in befriedigender Weise erledigt sei, worauf ich bis heute noch warte. Somit sind wir bis heute im ungestörten, ausschließlichen Besitz des Jugendheims geblieben, das uns seit der Verweisung der Geistlichkeit aus der Schule nötiger wie je ist zur Erteilung des Religionsunterrichts.
Nach den programmatischen Grundsätzen Rosenbergs sollen die dem Nationalsozialismus entgegenstehenden Weltanschauungen organisatorisch verkümmern. - Demgegenüber gilt es, das katholische Gemeinschaftsgefühl zu stärken. Als ich 1939 nach Gründung der NS Frauenschaft an die Ausführung eines schon längst gefaßten Planes der Einrichtung einer kirchlichen Frauenkongregation herantreten wollte, ergaben sich zunächst große Schwierigkeiten. Ich wartete bis die Frauenschaft am abflauen war und hatte Oktober 1935 mit unserer Gründung einen schönen und dauerhaften Erfolg. Fünfzig Mitglieder traten bei, deren Zahl sich inzwischen verdoppelt hat. Heute ist die Frauenkongregation ein segensreicher Faktor im Pfarrleben während die Frauenschaft nach verschiedentlichem Führungswechsel zur Bedeutungslosigkeit herabgesunken ist. Dieser Erfolg ermutigte auch zur Gründung einer Männerkongregation. Aktivierung des kirchlich religiösen Lebens der Männerwelt, Stärkung des katholischen Glaubensbewußtseins, Anleitung zum christlichen Familienleben ist notwendiger wie je in einer Zeit, deren Merkmal die Versklavung des Mannes ist. Am Christi-Himmelfahrtstag 1938 trat die Männerkongregation als letzte der Standesvereine ins Leben und wurde die Gründung bedeutungsvoll mit der Weihe des glücklich erneuten Kreuzes auf dem Burgberg verbunden. Heute zählt dieselbe 60 Mitglieder. Näheres in den Protokollbüchern der Kongregationen.
Ein Geistliche, der in diesen Tagen seine Pflicht tun will, steht stets mit einem Fuße im Gefängnis, doch erfährt er auch wunderbar, wie Gott alle zum Besten leitet. Wie oft ich angezeigt worden bin, ist mir selber unbekannt; hieß es doch nach der Machtergreifung, mit Lehrer, Gendarm und dem alten System müsse auch der Pastor verschwinden. So erzählte mir Fabrikant Becker, der Beziehungen zur Parteileitung hatte, er sei befragt worden, ob ich in der Predigt dies und das gesagt hätte. Auf seine verneinende Antwort sei die Anzeige ins Feuer geflogen. - Polizeilich wurde ich zuerst belangt auf Grund einer Predigt, die ich am Dreifaltigkeitssonntag 1935 über das Thema: Die Diaspora kommt zu uns. Hatte mich dabei bezogen auf die zunehmende Entchristlichung des öffentlichen Lebens, die Angriffe Rosenbergs, die Gefährdung der Jugend, die Unterdrückung der katholischen Presse etc. Ich hörte dann, der beim Gottesdienst anwesende Gendarm Thomalla aus Satzvey habe sich Notizen gemacht. Tatsächlich wurde ich auf Grund seiner Anzeige dann ins Verhör genommen. Bei demselben saß der Ankläger mit einer verbundenen Hand da. Es waren etwa vier Wochen vergangen. An demselben Nachmittag, wo er sich seine Notizen gemacht hatte, war er noch vom Rade gestürzt und hatte sich die Hand verletzt. Die Leute fragen, welche Hand? Die mit der er geschrieben hat? Dann soll er auch nicht soviel schreiben. Der Oberinspektor Damberg war im Verhör sichtlich bemüht, die Anklage abzuschwächen, während Thomalla sich recht dämlich benahm. Ich danke Ihnen, die Sache ist erledigt meinte Damberg zum Schlusse. Inzwischen war aber Görings Erlaß gegen den politischen Katholizismus erschienen. So wurde mir denn ein Zwangsgeld von dreißig Mark auferlegt. Ich antwortete in einem Schreiben an die Gestapo Köln: In meinem 61. Lebensjahre und in meinem 35. Priesterjahre erhalte ich das erste Strafmandat und zwar in einer Sache, in der ich glaube ganz nach Pflicht und Gewissen gehandelt zu haben. Da jedoch mein Fall nur ein winziger Ausschnitt aus dem tragischen Konflikte zwischen den beiden höchsten Autoritäten in unserem Vaterland ist und eine Beschwerde unproduktive Arbeit sein dürfte, verzichte ich auf das Einspruchsrecht und werde das mir auferlegte Zwangsgeld entrichten. Gott schütze unser geliebtes Vaterland! Daraufhin erschien Dr. Broich, der Kreisschulrat und wollte von mir das Versprechen haben, an staatlichen Einrichtungen keine Kritik mehr zu üben. Ich erwiderte ihm, soweit sein Ressort gehe, in der Schule, hätte ich das niemals getan und würde es auch nicht tun, da ich auf dem Standpunkt stehe, daß Politik nicht in die Schule gehöre; für meine sonstige Lehrverkündigung könne ich ihn allerdings nicht für zuständig erkennen, und ihm auch keine Versprechungen geben. Daraufhin erhielt ich von der Regierung in Köln ein Schreiben, da ich die geforderten Versicherungen dem Schulrat gegeben hätte (!), könne ich den Schulunterricht in der Religion weiter erteilen; im Wiederholungsfalle würde mir jedoch die Erlaubnis entzogen werden. Da ich inzwischen genötigt wurde, aus Gesundheitsrücksichten den Schulunterricht dem Vikar zu übertragen, erledigte sich eine weitere Verhandlung mit Dr. Broich sehr leicht. Es war nämlich ein Erlaß gekommen, diejenigen Geistlichen, welche die Jugendvereine leiteten, sollten nicht mehr in die Schule dürfen. Auf die Frage wie das hier gehandhabt werde, antwortete ich, die Vereinsleitung liege in meiner Hand, der Vikar halte allerdings Heimabende für die gesamte Pfarrjugend. Darauf ging ein verständnisvolles Leuchten über das Gesicht des Herrn und meinte erleichtert, dann wäre ja bei Ihnen alles in Ordnung. Draußen sagte er dann Lehrer Gasch: Es ist ja etwas spitzfindig, aber die (Nazis) sind es ja auch.
Einer der borniertesten Parteigänger, P. R. aus Rheder, hatte Anfang Januar 1936 gegen Vikar Sebastian und mich Anzeige erstattet wegen Mißhandlung seines Sohnes. Ich hatte denselben gestraft, um die Autorität meines Vikars zu schützen, mit dem die Söhne des genannten nicht ohne Mitschuld der Eltern ihren Spott trieben. Zur Charakteristik des P.R. sei hier eingeschaltet, daß er bei der Mission den Pater bei dessen Hausbesuch empfing: Sie sind ja gar kein Deutscher, wenn Sie mal verheiratet sind, können Sie wiederkommen. Darauf der Pater: Sie beleidigen ja den Führer. P.R.: Vielleicht hat der doch Kinder. Der Pater: Das ist ja noch schlimmer; wenn ich Sie anzeige, werden Sie bestraft! Die Sache wurde jedoch von der Partei aufgegriffen, und erhob die Staatsanwaltschaft die Offizialklage. Ein umfangreiches Verhör von Lehrern und Kindern als Zeugen wurde veranstaltet, in dessen Verlauf der Gerichtsbeamte sein Erstaunen über diese Anklage kaum verhehlen konnte. Es vergingen jedoch etwa drei Monate und der Weiße Sonntag war gekommen. Nach dem Liebesmahle, das wir damals noch gemeinschaftlich mit den Lehrern und Erstkommunikanten halten konnten, wurde ich gefragt, wie die Sache stände. Ich antwortete, daß ich noch nichts erfahren hätte. Da kommt die Post und bringt einen Brief von der Oberstaatsanwaltschaft Bonn, daß das Verfahren eingestellt sei! Geraume Zeit nachher wurde mir erzählt, daß man P.R. wohl mehr zum Schabernack zugeredet hätte, nochmals in der Sache Anzeige zu erstatten. Er habe aber sich entschieden geweigert; die Anzeige damals sei ihm teuer genug zu stehen gekommen und habe von etwa 300 Mark gesprochen.
Im Anschluß an die Skandalprozesse hatte Göbbels 1937 am Samstag in der Fronleichnamsoktav seine berüchtigte Rede über die allgemeine Korruption des katholischen Klerus gehalten. Unter der Maske des tugendhaften Biedermanns und besorgten Familienvaters hatte er sittliche Entrüstung geheuchelt; es dauerte aber nicht viel mehr wie ein Jahr, da war er entlarvt und von Mund zu Mund ging das Sprüchlein: O könnt ich doch mal fröhlich sein und schlüg dem Jupp die Zähne ein! Die Anklage, die damals der Reichspropagandaminister vor ganz Deutschland gegen die Kirche erhoben hatte, war so ungeheuerlich, daß, wenn dieses Bild richtig gewesen wäre, kein anständiger Mensch hätte in der Kirche verbleiben dürfen. So erschien es mir ein Gebot von Ehre und Pflicht am Sonntage in der Kirche zu erklären, daß diese Anklage nicht nur ungerecht, sondern auch unritterlich gewesen sei, da die Angegriffene sich nicht verteidigen könne vor der deutschen Öffentlichkeit; endlich noch undankbar, da der Redner nur der katholischen Kirche es verdanke, daß er durch den Albertus-Magnusverein zum Studium und einer höhern Ausbildung gelangt sei. Demnach wurde ich wegen Ministerialbeleidigung angezeigt und war mir die Erinnerung an den Fall des Kaplans Brodesser, der dieserhalb längere Gefängnisstrafe erhalten hatte, wohlbewußt. Unter diesen Umständen war es für mich sehr wertvoll, daß Bürgermeister Zander, der durch den Polizeidiener Lorre die Anklage überbringen ließ, mir Zeit gab, meine Aussage bis zum folgenden Tage zu erwägen. Ich gab dann folgende Erklärung zu Protokoll. Die Rede des Ministers sei sehr mißdeutungsfähig gewesen. Ich habe mich verpflichtet gefühlt, ein wahrheitsgetreues Bild der unbestreitbaren Verdienste zu zeichnen, welche sich die katholische Kirche um die Sittlichkeit und Kultur der Menschheit erworben habe. Dabei habe ich dann auch an die ja naheliegende Tatsache erinnert, daß selbst der Redner seine Ausbildung der Kirche verdanke. Den Herrn Reichsminister, dessen Name ich auch nicht genannt habe zu beleidigen lag mir ferne, ich habe lediglich gesprochen, wie es die Ehre der Kirche und meine Pflicht als Priester verlangt hätten. Daraufhin habe ich nichts mehr gehört.
Um diese Zeit war an der Kapelle zu Rheder ein Stürmerkasten dicht neben dem Eingang errichtet worden. Da dieses Hetzblatt ekelhaftester Sorte gelegentlich auch skandalöse Bilder und Schmähartikel gegen die Kirche brachte, hatte ich öffentlich beim Gottesdienst dagegen protestiert. Desgleichen hatte der Kirchenvorstand einmütig eine Beschwerde bei der Regierung eingereicht, als alle persönlichen Vorstellungen nichts fruchteten. Da nun zum Glück nachgewiesen werden konnte, daß der Kasten noch auf Kapelleneigentum stand, mußten die Parteigänger ihn schließlich entfernen. Besonderen Dank und Anerkennung hat dabei der Ortsvorsteher Jakob Gilles sich verdient. Auch bei einer anderen Gelegenheit hat derselbe seinen christlichen Mut bekundet. Als am Fronleichnamstage in der Nähe des Segenaltares auf dem Dorfplatze an der Anschlagtafel ein Plakat mit Beschimpfungen der Kirche von Seiten der Partei angebracht worden war, erklärte ich, daß ich den Segen dort nicht halten würde, wenn das nicht entfernt würde. Worauf Herr Gilles unverzüglich das Blatt persönlich umdrehte, Es hat ihn das allerdings eine Buße von 20 Mark an die NSV gekostet, die wir dann brüderlich geteilt haben, da ich den Wert eines charaktervollen Vorstehers in der heutigen Zeit zu schätzen weiß.
Zu dramatischen Szenen kam es anläßlich der Aufhebung des Jungmännerverbandes am 1. Februar 1938. Vormittags erschien der hiesige Gendarm Thewes mit seinem Satzveyer Kollegen im Pfarrhaus und verlangte Auslieferung von Kasse, Mitgliederverzeichnis und Banner. Ich erklärte: Kasse ist keine mehr vorhanden und das Mitgliederverzeichnis gebe ich nicht. Dann müssen wir Haussuchung vornehmen. Hierbei ereignete sich das Merkwürdige, daß die beiden an dem Tischchen, wo das Protokollbuch mit der Mitgliederliste frei zum Greifen dalag, am andern Ende anfingen nachzusehen, und dabei - auf das Protokollbuch ablegten, so daß das Gesuchte immer mehr verdeckt wurde. Da können wir noch bis morgen Abend suchen und finden doch nichts meinte schließlich Thewes. Um aber etwas getan zu haben, nahmen sie die Rechnungsakten des Jugendheims und einen Pack meiner Schrift über die beiden Schwestern Dahmen mit, da auf dem Titel stand; Zwei Förderinnen Kathol. Jugenderziehung. Ich machte darauf aufmerksam, daß es sich um ein wissentschaftliches Werk handele, und die betreffenden bereits über 100 Jahre tot seinen. Wenn es nichts ist, bekommen Sie die Sachen wieder! Sie zogen denn ab, nachdem sie auch das Zimmer des Herrn Vikars Schwarz durchsucht hatten und dort unter andern einen Stoß Deutsche Komplet, die der Fabrikant Becker, selber Pg. gestiftet hatte, konfisziert hatten. Am Abend erschienen die Gendarmen wieder in Begleitung eines Beauftragten der Gestapo, eines jungen Frechdachses, der unangemeldet direkt in mein Arbeitszimmer hinaufstürmte und die Auslieferung des Banners verlangte. Ich erwiderte, dasselbe sei in der Kirche und ein geweihter Gegenstand, den ich ohne Genehmigung der Behörde nicht ausliefern dürfte. Er drohte mit Verhaftung, gab aber schließlich zu, daß ich den Herrn Generalvikar anrief. ich höre am Telefon das Wort Mitbringen!. Die Gendarmen waren inzwischen fort um den Küster zu holen. Anstatt aber, wie man ihn unter Drohungen veranlassen wollte, die Kirche aufzuschließen, kommt dieser zu Pastorath: Der Pastor ist mein Vorgesetzter; Ihr wißt doch auch, was ein Vorgesetzter bedeutet. Da droht man mit Erbrechen der Türen. Daraufhin sage ich nach einiger Überlegung: Roggendorf, Sie sind mein Zeuge vor der Gemeinde, daß ich gezwungen, um die Kirche nicht demolieren zu lassen, das Banner ausliefere. Als man sich gegen den Ausdruck: Die Kirche demolieren verwahren wollte, erwiderte ich: die Türen erbrechen, ist das etwas anderes?. So mußte ich geschehen lassen, was ich nicht verhindern konnte. Der weitern Aufforderung nun auch die Mitgliederlisten herauszugeben, begegnete ich jedoch mit einem entschiedenen Nein. Sie wollen mich doch nicht zum Verräter an den Jungens machen, die mir ihr Vertrauen geschenkt haben! Ich geben Ihnen Bedenkzeit bis morgen Abend 6 Uhr. Vormittags fanden sich jedoch bereits wieder die Gendarmen ein und frugen ob ich mir die Sache überlegt hätte. Da gibt es für mich nichts mehr zu überlegen, wie ich bereits gestern gesagt habe Dann müssen wir Meldung erstatten und Sie die Folgen abwarten. Ich packte dann die notwendigsten Sachen zusammen und gab dem Kirchenvorstand Bescheid, damit er sich informieren könne, wenn man den Pastor abführe. Bereits ½ 6 Uhr waren alle acht, die abkömmlich waren, in der Pastorath anwesend, auch auf der Straße hatten sich Leute angesammelt; wer ausblieb- waren die Herren von der Gestapo. Ich stellte den Antrag auf Rückerstattung der zu Unrecht beschlagnahmten Gegenstände unter Berufung auf den Wortlaut der staatlichen Verordnung und das Wort des beauftragten Beamten, das doch wohl Geltung haben werde. Als keine Antwort kam, begab sich Herr Vikar Schwarz in die Höhle des Tigers. Hier auf dem Büro der Gestapo wollte man jedoch keine Beschwerde erhalten haben. Ob die beschlagnahmten Sachen Eigentum der aufgehobenen Kongregation gewesen seien oder nicht, sei gleichgültig, es komme darauf an, ob dieselben zur Wiederbelebung der verbotenen Organisation dienlich seien. Diesen ungeheuerlichen Rechtsstandpunkt beleuchtete ich in einer erneuten Eingabe, dahin, daß dann so ziemlich aller privater und kirchlicher Besitz beschlagnahmt werden könne! Wieder verging eine geraume Zeit, bis unmittelbar vor den Wahlen der Bescheid kam, die in den beiden Eingaben - die erste wurde also jetzt auch zugegeben - requirierten Sachen könnten nicht zurückgegeben werden, da - sie bereits vernichtet seien.
Die auf die geschilderten Vorgänge folgenden Wahlen im Frühjahr 1938 hatte bei uns nicht den gewünschten Erfolg. Es wurden in Weingarten etwa 20 Nein-Stimmen - wozu noch viele eigentlich ungültige Stimmen zu rechnen waren - offiziell bekannt gegeben, mehr als in der ganzen Stadt Euskirchen. Es kam daher, daß der Sohn des Wahlleiters, der dem Vater etwas zu bestellen hatte, über der Zählung das Wahllokal betreten und das Gehörte im Wirtslokal gleich zum Besten gegeben hatte, so daß sich nichts vertuschen ließ. Darüber denn große Wut bei den Nazisten als über eine persönliche Blamage. Kreuzweingarten wurde in Kreuzneingarten umgetauft. Sie zeigten sogar die Dummheit und Frechheit, am Karfreitag eine Strohpuppe an einem hohen Maste im Garten des Blockwartes aufzuhängen, daß sie weithin sichtbar war. Sie wollten damit die Neinstimmen als Judasse an den Pranger stellen, ohne Ahnung, welch grobe Taktlosigkeit für den Karfreitag damit begangen wurde. Ich wies Schn. auch im Hinblick auf die zur Verehrung des Hl. Kreuzes erscheinenden Prozessionen zurecht; vergebens. Der Kerl bleibt da, erklärte er, soll sogar ein Läutewerk zur Sicherung angelegt haben. Keine 24 Stunden waren vergangen, da waren bereits die beiden Blockwarte Schn. & R. unter Aufsicht des Gruppenleiters Gerhartz selber daran, eigenhändig den Popanz zu beseitigen, auf direkten Befehl der Kreisleitung, bei der Bernhard Becker Pg, aber zuerst Katholik energischen Protest erhoben hatte. Zum Spotte hatten der Veranstalter aber auch den Schaden, da die ankommenden Pilger nur mit Entrüstung die Scheuche am Bäckerladen gewahrten.
Verhängnisvoll hätte für mich ebenfalls folgendes werden können. Der Direktor der Männerkongregation in der Erzdiözese, P. Schm. hatte von mir den Tatsachenbericht über die Rottenburger Ereignisse erhalten. Er hatte nun nach der Kongregationsandacht in Bonn gesagt: Wer etwas über die Vorgänge in Rottenburg zu erfahren wünscht, möge in den Versammlungsraum kommen. Ein Verräter war mitgegangen und am anderen Tage stand der Pater vor der Gestapo. Man wollte wissen, woher er den Bericht hätte. Von dem Landesverräter Virnich? (der Studienrat, der wegen Beteiligung an der Fronleichnamsprozession von Bonn nach M'eifel versetzt wurde). Ich kenne keinen Landesverräter Virnich. Woher haben Sie ihn denn? Den habe ich aus dem Briefkasten. Im Briefkasten des Hauses war er aber nicht gewesen. Ja, ich habe doch einen eignen Kongregationsbriefkasten. Auf keinen Fall hätte ich Sie genannt, sagte er mir nach seiner Haftentlassung ganz schlicht, in selbstverständlicher edelster Treue. Er war acht Tage in Untersuchungshaft gewesen. Ich halte Sie hier, hatte ihm der gutgesinnte Richter gesagt: wenn Sie in das Konzentrationslager kommen, sind Sie verloren. Als dann im September die Kriegsgefahr da war, hatte man ihn entlassen. Um erneuten Zugriffen der Gestapo zu entgehen, zog P. Schmittes jedoch schließlich vor in einer grünen Joppe über die Grenze zu gehen.
Es kam der Montag, wo die Kreuze aus der Schule entfernt wurden, der Montag nach dem Weißen Sonntag vor Hitlers 50jährigem Geburtstag. Die Frage der Hakenkreuzflagge an den Gotteshäusern wurde wieder einmal kritisch. Wenn gewiß die Hissung der Nationalfahne an den Kirchen als Schutzzeichen und Loyalitätserklärung grundsätzlich wohl zuzugeben ist, so ist es mir stets bedenklich erschienen, wo es als Zustimmung zu unkirchlichen und ungesetzlichen Vorgängen und Maßnahmen gedeutet werden konnte. So insbesondere bei der revolutionären Erhebung des 9. Novembers, wo ich bei der ersten Anordnung vorher feststellen ließ, daß in der Metropole Dom und Erzbischöfl. Generalvikariat geflaggt hatten. Daß ich gleichwohl 1939 an genanntem Tage, wo Deutschland mit der Kulturschande der Judenvernichtung befleckt wurde, nicht geflaggt habe, ist mir nachträglich eine große Genugtuung gewesen. Es war allerdings damals in der allgemeinen Aufregung nicht beachtet worden, zumal ich die Hakenkreuzfahne von Anfang an versteckter Stelle herausgetan habe, allerdings auch die Kirchenfahne in dieser Zeit der Verfolgung nicht mehr heraustue. Diesmal sollte es anders kommen. Im Dekanate war man geteilter Meinung. Ich hatte den Standpunkt: Beten muß man am Geburtstag des Staatsoberhauptes, eine Feier ist in diesen Tagen der Trauer nicht angebracht. So erklärte ich denn beim Gottesdienst: Auf oberhirtliche Anordnung findet dieses Amt zu Ehren des H. Erzengels Michael für Volk und Führer statt. Es war außerdem angeordnet Festgeläute und Beflaggung. Inzwischen hat sich aber etwas ereignet, was jedes gläubige Gemüt mit dem größten Schmerz erfüllen muß. Das Kreuz, das heiligste und ehrwürdigste Symbol unseres Glaubens ist aus der Schule entfernt worden. In diesem Augenblick unserer dem Hl. Kreuz geweihten Kirche Flaggenschmuck zu geben und ein Festgeläute zu veranstalten ist mir unmöglich. Wenn ich mich dadurch strafwürdig mache, will ich diese Strafe gern auf mich nehmen. Lieber alles, als den Schein des Verrates auf mich laden. Ich will dadurch keinen Druck auf einen andern ausüben, da ich weiß in welcher schwieriger Lage sich manche befinden. Jeder muß handeln, wie er es vor Gott verantworten kann. Eines wollen wir aber alle tun - wir haben es vielleicht zu wenig getan - beten für unser Staatsoberhaupt, dem Gott eine Macht gegeben hat, wie nie einer in deutschen Land besessen hat, daß er diese Macht zum Besten des Volkes gebrauche, der aber auch andererseits eine Verantwortung zu tragen hat, wie niemals eine zu tragen hatte, daß er sie vor Gott gestehen möge! Daraufhin wurde ich vom Gendarm Zachaeus angezeigt, und war besonders betont, daß ich mit Absicht die Beflaggung unterlassen habe, wie aus meinen Worten in der Kirche hervorgehe. Die Anzeige ging mir am Feste Kreuz-Auffindung zu, das Verhör fand am Herz-Jesu-Monatsfreitag statt. Bei demselben erklärte ich zunächst daß ich mich in Sachen meiner geistlichen Amtsführung nur meiner geistlichen Behörde verantwortlich erkenne sofern nicht das Konkordat etwas anderes begäbe. Unter diesem Vorbehalte gab ich dann zur Begründung meines Nichtflaggens an Hitlers Geburtstag meine obigen Erklärungen in der Kirche zu Protokoll. Die Pfarreingesessenen hatten wenn auch zögernd fast ausnahmslos geflaggt. Eine Sühnefeier, die ich am nächsten Sonntag, abends 8 Uhr angesetzt hatte, war über Erwarten auch von der Männerwelt sehr gut besucht. Wir beteten den Kreuzweg miteinander um die Gnade, dem Heiland auch auf dem Kreuzwege treu nachzufolgen, hielten wie am Ostermorgen die Auferstehungsfeier mit dem Kreuze und dann schritten alle in langen Reihen um den Altar, den Kuß der Treue auf die Partikel des Hl. Kreuzes niederlegend um die Erfüllung unserer Hoffnung würdig zu werden. +Wgt 2.6.39 N.Rtz. |
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