Leben und Werk von Nikolaus Reinartz, Pfarrer und Heimatforscher - Ein Projekt von nikola-reinartz.de und nikolaus-reinartz.de - eMail: hkbergheim@gmx.de





Das Ende
Von Pfarrer Nikola Reinartz † 4.8.54


5. Christi Himmelfahrt 10. Mai 1945 und Fronleichnam 1. Juni 1945.

Christi Himmelfahrt 10. Mai. Gestern Kapitulation und Waffenruhe! Ich muß an die Weihe der Welt an das unbefleckte Herz Mariä denken, welche am 8. Dezember 1942 vom H. Vater vorgenommen und dann im Mai in der Erzdiözese stattfand. Man nimmt die noch vor einigen Wochen erst für den Spätsommer von seiten der Alliierten erwartete Nachricht ziemlich gelassen auf und fragt nur, welche Besatzung erhalten wir und kommen unsere Soldaten zurück? Wir hatten inzwischen nochmal Einquartierung und mußten manche Häuser wieder räumen, was auch wieder die alten Beschwerden über Mitnahme von Sachen der Bewohner von seiten der Truppen brachte. Ich verwandte mich auf Ersuchen von Hoffmann bei dem Kommandanten, der mich ohne Gruß empfing und verabschiedete, aber die Wiedergabe beim Abzug in Aussicht stellte, was auch geschah. Über meine Anerbietung, die Gottesdienstordnung für katholische Soldaten Ihnen zu verabfolgen, erklärte er, höheren Orts vorstellig zu werden. Wegen der Benutzung der Schule als Küche frug ich, wie lange das wohl dauern würde, erhielt aber die Antwort, das sei militärisches Geheimnis. In der folgenden Nacht aber zogen sie bereits ab. Die Eröffnung der Schule stand in der letzten Woche im Vordergrund der Überlegungen.

Ich hatte der Gemeinde den Vorschlag gemacht, am Feste Kreuz-Auffindung in feierlicher Prozession das Kreuz wieder in die Schule zu bringen und zu diesem Zwecke den Gemeinde- und Kirchenvorstand nebst den Vorständen der Kongregationen zu einer Besprechung mit der Lehrerin bestellt. Alle erschienen und waren ganz einverstanden. So wurde denn die Schule gereinigt, die Bänke wieder eingestellt, auch die Schule inwendig und auswendig geschmückt. Die weiß-schwarze Domfahne, ihr zur Seite das Spruchschild „Im Kreuze ist Heil“, ein anderes Schild über dem Portal, am Jugendheim die alte Jünglingsfahne, im Dorfe alle Häuser geflaggt: das gab ein Bild, wie +Weingarten lange keins mehr gesehen hatte. Unter großer Beteiligung der gesamten Bevölkerung fand dann die Übertragung des schön geschmückten Kreuzes in der mit reichem Fahnenschmuck versehenen Prozession am Nachmittag statt. Zu beginn der Festandacht beteten wir die beiden Gesetze des Rosenkranz „Der für uns ist gekreuzigt worden“ und „Der von den Toten auferstanden ist“, dann meine Ansprache, Verehrung der Kreuz-Partikel, Auszug der Prozession: nach der Rückkehr Te Deum und Sakramentaler Segen. Bei dem Festakt in der Schule übergab ich das Kreuz dem alten Gemeindevorsteher, der mit dem neuen und dem von Kalkar unmittelbar hinter dem Kreuze in der Prozession geschritten waren, zum Anheften.

Über dem zu einem Altar verwandelten Lehrerpult, darauf fand die Einsegnung der Schulsäle statt, ein Gedicht zu Ehren des Hl. Kreuzes aus „Geweihte Gemeinschaft“ wurde von Knaben und Mädchen vorgetragen, „Geweihte Gemeinschaft“ wurde von Knaben und Mädchen vorgetragen, noch ein mehrstimmiges Lied von dem auf dem Schulhofe portierten Kirchenchor weihevoll vorgetragen und unter Gebet des alten +Weingarten Pilgerrosenkranz und Gesang wurde in die Kirche zurückgekehrt. Es war ein schöner Maientag, warm und sonnig, nur auf dem Rückweg fielen einige Tropfen, während es an den Vorträgen kühle Schauern gegeben hatte. Als wir dann in die Kirche einzogen, fing auch eine Nachtigall im nahen Gebüsch an, ihre melodischen Weisen zu schmettern.

Die größte Freude aber war für mich, daß auch der bis dahin sich nicht am kirchlichen Leben beteiligte Lehrer L. Mir einen Besuch machte, was er früher abgelehnt hatte, wie er auch am Morgen zur Hl. Kommunion gegangen war. Leider ist unser alter Vorsteher Gilles, mit dem ich 20 Jahre lang harmonisch zusammengearbeitet habe, nicht mehr als Vorsteher bestätigt worden, weil er 1942 gezwungener Maßen in die Partei gegangen war; auch den Posten als Ortsbauernführer hat er abgeben müssen, obgleich ich allerdings zu spät unterrichtet eine Eingabe zu seinen Gunsten an die Militär-Regierung gemacht habe. Ich wies darauf hin, daß er sogar wegen Entfernung eines Parteianschlages bestraft wurde. Es würde die Beseitigung eines solchen verdienten Mannes weder uns, noch der Besatzungsbehörde dienlich sein.

Fronleichnam, 1. Juni. Heute haben wir bei günstigster Witterung den Triumphzug unseres Heilandes in aller Öffentlichkeit gebilligt von der MP begangen wie ehedem. Wir haben die Hoheitsrechte des Herrn wiederhergestellt, nachdem die anderen „Hoheitsträger“ verschwunden sind. Die beiden vorangehenden Tage waren regnerisch, am Morgen des Festtages aber strahlende Sonne und doch nicht zu heiß. Die Beteiligung war sehr groß auch die Ordnung eine gute; der Schmuck der Häuser und Straßen besonders in Rheder wieder festlich. Es herrschte allgemeine Freunde und Befriedigung.

Die letzten Wochen waren gefährdet durch die Bandenuntriebe der Fremdarbeiter, besonders Russen und Ukrainer, deren mehrere Tausend in der Kaserne Euskirchen zusammengebracht waren, andere aber auch in den Wäldern hausten und nachts auf Raub ausgingen. Besonders Billig wurde von ihnen heimgesucht, so dann abgelegene Gehöfte. So fand auch Frau v. Birkhan ein grausames Ende, da sei nach der Gefangennahme ihres Mannes allein das Haus bewohnte. Die energische Frau hatte sich jedenfalls gegen die Einbrecher zur Wehr gesetzt, da sie aber keine Schußwaffe hatte, war sie verloren. Es war am Abend von Christi-Himmelfahrt; das neue Testament aufgeschlagen in ihrem Bette auf dem Boden. Sie war wiederholt bei mir, meistens in ihrer Bemühung um die Freigabe ihres Mannes, einmal auch um Auskunft in religiösen Fragen. Sie war der Ansicht, die Verheißungen der Wirksamkeit des Gebetes seien buchstäblich zu verstehen; wenn das Gebet nicht verwirklicht werde, sei es nur infolge mangelnden Glaubens. Ich gab ihr die katholische Auslegung und eine Abhandlung von Reinhold Schneider, die ihr vielleicht Erleuchtung gebracht hat. - Es wurden sodann Nachtwachen angeordnet, die aber nicht bewaffnet sein durften, und von Amerikanern und Polen den Räubern gewehrt, so daß langsam wieder Beruhigung kam.

Das Ende des Naziregimes - Ein unveröffentlichter Bericht von Pfarrer Nikola Reinartz





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